proM² in der Presse

Trend, 11/2021

So gelingt hybrides Führen

Mehr Empathie, weniger Kontrolle und eine neue Feedback- Kultur: Führen auf Distanz braucht eine Vertrauenskultur, sagen die Coaching-Experten SUSANNA WIESENEDER und CHRISTIAN REITTERER.

DIE PANDEMIE hat die Arbeitswelt spürbar verändert – und damit auch die Rolle von Führungskräften. Die augenscheinlich wichtigste neue Aufgabe ist das Brückenbauen. „Hybrides Führen bedeutet, zwei unterschiedliche Sphären zu verbinden: Menschen, die im Büro physisch präsent sind, und diejenigen, die im Homeoffice sitzen und nur virtuell anwesend sind“, beschreibt Leadership-Coach Susanna Wieseneder die Herausforderung. Voraussetzung dafür sind klare Regeln. „Es muss definiert werden, welche Termine online möglich sind, wie zum Beispiel kurze Informationsabstimmungen. Klar muss auch sein, dass es Termine gibt, die nur persönlich abgehalten werden können.“ Doch die eigentliche Herausforderung für Führungskräfte liegt woanders: in der Schaffung einer Vertrauenskultur. „Die entscheidenden Dimensionen von hybrider Führung sind, Sicherheit und Vertrauen zu geben“, sagt Christian Reitterer, Coach und geschäftsführender Gesellschafter der Managementberatung proM². Was das konkret bedeutet: „Die Botschaft muss sein: ‚Wir kümmern uns um dich, auch wenn du nicht im Büro bist.‘“ Das beginnt mit der profanen Nachfrage nach der privaten Bürosituation – nicht jeder hat einen ergonomischen Bürosessel oder starkes WLAN zu Hause – und dem Angebot, hier zu unterstützen, auch finanziell. Und es reicht bis zu Video-Meetings, bei denen nicht nur der Projektfortschritt gecheckt wird, sondern auch die Frage gestellt wird: „Wie geht es dir eigentlich?“

VIRTUELLE PRÄSENZ. Ein „Vertrauensbooster“ ist, wenn eine Führungskraft Nähe zulässt und durchblicken lässt, auch als Mensch in dieser extremen Situation gefordert zu sein – wohl wissend, dass andererseits Kompetenz und Führungsstärke mit einem spürbaren Glauben an eine Zielerreichung wichtige Bestandteile einer Vertrauenskultur sind, so Reitterer. „Denn Mitarbeiter vertrauen nicht einem Unternehmen, sondern jemandem.“ Verlässlichkeit und Konstanz sind weitere Vertrauen bestimmende Werte, die eine Führungskraft vorleben, aber auch von Mitarbeitern einfordern soll. „Es geht darum, erhöhte Präsenz zu zeigen, ohne als Oberkontrolleur zu wirken“, so der Coach. Und es wird noch herausfordernder: „Hybride Leadership muss – neben Ergebnisse bringen – verstärkt den Fokus auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter legen, Persönliches wird wichtiger“, sagt Susanna Wieseneder. Dahinter steckt ein Kuriosum: Die räumlich distanzierte Kommunikation über Zoom, Teams & Co. hat zu mehr Nähe geführt. Plötzlich kennen wir den Kollegen nicht nur im dunkelblauen Business-Outfit, sondern im T-Shirt. Wird aus klassischer Leadership also Coaching und Betreuung? In jedem Fall wird Zuhören und ein Gespür für Unstimmigkeiten zu entwickeln noch wichtiger. „Aber das bedeutet nicht, sich jedes persänliche und private Problem umhängen zu lassen und lösen zu wollen“, so Susanna Wiesender, „denn Führungskräfte müssen Förderer sein, aber sie sind keine Therapeuten. Wer sich diese Rolle aufzwingen lässt, überfordert sich und tut auch den Mitarbeitenden nichts Gutes.“

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