proM² in der Presse

Kurier, 13.12.2014
von Nicole Thurn

Mit 100 km/h im Eiskanal

Reportage. Die Linger-Brüder sind Rodel-Olympiasieger. Und coachen Manager für die nächste Krise

Ich liege unter Andreas Linger auf der Rennrodel in der Position, in der sein Bruder Wolfgang mit ihm zwei Mal Olympia-Gold und einmal Silber holte. Wir starten von Weltcup-Höhe im Eiskanal Igls. Andreas Linger holt Schwung. In wenigen Sekunden hat der Zweisitzer 100 Stundenkilometer erreicht. Die weiße Eisfläche flitzt vorbei, der Puls schnellt auf 180, rein in die Kurve, 2G drücken mich nach hinten, raus in die Gerade, rein in die nächste Kurve. Ich versuche, mein Kinn an die Brust zu drücken, wie es mir die Lingers gezeigt haben. 14 Kurven und 43 Sekunden später sind wir im Ziel. Mit breitem Grinsen und zitternden Knien, im Adrenalinrausch.

Mit dem gleichen breiten Grinsen kehren auch die anderen Rodel-Greenhorns nach rasanter Rutschpartie zum Treffpunkt ins Starthaus zurück – unter ihnen Paralympics-Sieger Walter Ablinger. Vier Führungskräfte nehmen an der Seminar-Premiere „Das Linger-Erfolgspuzzle“ teil, das die Rennrodler mit Führungskräftecoach Christian Reitterer in Igls abhalten. Die Abfahrt hat Spaß gemacht, bewirken soll sie aber mehr, so Reitterer: „Für Manager ist es wichtig, die Komfortzone zu verlassen, um in Krisensituationen nervlich stabil zu bleiben.“

Der Start

Die Linger-Brüder begeisterten sich von klein auf für denRodelsport. Vor vier Jahren lernten sie Christian Reitterer auf einer Veranstaltung kennen. Die Lingers hatten damals zwei Olympiasiege in der Tasche – 2006 in Turin und 2010 in Vancouver – und suchten neue Inspiration für Sotschi 2014. Reitterer coachte sie, wie er sonst Manager coacht. Denn die Lingers waren gewissermaßen in einer Führungsrolle, mussten sie als Vertreter einer Randsportart selbst Sponsoren aufstellen, sich ums Marketing und Materialinnovationen kümmern – trotz ihrer 15 Weltcup- und zwei Olympiasiege. Die Lingers lernten also zu denken wie Führungskräfte. „Vieles haben sie schon unbewusst richtig gemacht“, sagt Reitterer. Kürzlich gaben die Lingers ihr Abschiedsrennen in Igls – sie wollen sich künftig ihren Familien widmen. Und Managern ihre Erkenntnisse aus dem Spitzensport weitergeben.

Inspiration in zehn Teilen

Im Tagesseminar klärt uns das Trio über das „Linger Erfolgspuzzle“ auf – zehn Bereiche, die für die Spitzensportler wie auch für Manager wesentlich für den Erfolg sind. „Wir maßen uns nicht an, Lösungen zu präsentieren, wir wollen Denkanstöße geben und inspirieren“, erklärt uns Reitterer. Ein wichtiger Erfolgsfaktor sei die persönliche Einstellung – und damit verbundender Umgang mit Niederlagen. „Rückblickend haben wir von vierten Plätzen mehr gelernt, als hätten wir Bronze gemacht“, resümiert Andreas Linger.

Die Rennrodler sind Perfektionisten, wie beide betonen. Nicht verkrampft, sondern auf eine selbstkritische Art: Jede Abfahrt, jedes Training und jeden gemachten Fehler haben sie akribisch dokumentiert, nach jedem Rennen reflektierten sie darüber, was sie nächstes Mal besser machen wollten. Selbstreflexion sei auch eine wesentliche Führungsaufgabe, nur oft vergessen, erklärt Reitterer. Zum Thema Motivation gibt Wolfgang Linger zu bedenken, dass Begeisterung der größte Motivator sei: „Es geht nicht nur ums Ziel, sondern um den  Spaß, den man hat, wenn man im Kraftraum trainiert oder am Material tüftelt.“

Zudem sei Vertrauen wichtig – zu den Mitarbeitern und zum Rodelpartner. Messbare, realistische und herausfordernde Ziele ebenso. Kommunikation und Führung müsse situativ geschehen. „Wir mussten mit dem Sponsor anders verhandeln als mit dem Material-Zulieferer“, sagt Wolfgang Linger. Auch Manager müssten ihre Mitarbeiter individuell führen – der eine brauche klare Anweisungen, der andere Freiraum. Es bleibt kaum Zeit für alle zehn Themen – hier wäre weniger mehr.

Am Ende sind sich die Teilnehmer nicht zuletzt wegen der imposanten Rennrodelfahrt einig: Das Seminar war ein besonderes Erlebnis. Ob es sie deswegen schon zu besseren und mutigeren Führungskräften macht, ist fraglich – vielleicht ist es ein Anfang.

Lernen vom Spitzensport

Andreas und Wolfgang Linger

Die beiden Brüder – 32 und 31 Jahre alt – begannen im Alter von neun bzw. zehn Jahren mit dem Rodeln. Sie machten Olympia-Gold in Turin und Vancouver, siegten 15-mal im Weltcup und wurden drei Mal Weltmeister. Nach einigen enttäuschenden Rennen Anfang 2014 holten sie bei den Olympischen Spielen in Sotschi Silber. Im März beendeten sie ihre Karriere, um sich ihren jeweiligen Familien zu widmen.

Christian Reitterer

Der Management-Coach hat langjährige Führungserfahrung – u. a. als Vorstand bei Nestlé. In Wien führt er die Beratung „Pro Management Quadrat“. Das nächste „Linger-Erfolgspuzzle“ findet am 24.2.2015 statt. Es wird auch firmenintern angeboten.

> Seminar „Das Linger-Erfolgspuzzle“

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