proM² in der Presse

Trend und Profil Special
von Arne Johannsen

Heißes Werben um den Nachwuchs

Wer seine Lehrstellen und offene Jobs besetzen möchte, muss sich als attraktiver Arbeitgeber präsentieren. Employer Branding heißt das Zauberwort.

Der Saal in der Zentrale von Leyrer & Graf ist gut gefüllt. Rund 70 Jugendliche und ihre Eltern sind zum Informationsabend des Gmünder Bauunternehmens für Lehrlinge gekommen – genauer für zukünftige Lehrlinge. Das hofft zumindest Firmenchef Stefan Graf, der Niederösterreichs größte Baufirma an diesem Abend selber vorstellt. Falsche Versprechungen werden dabei nicht gemacht. Hinter Graf prangt ein großes Werbrplakat mit der Aufschrift „Es wird hart. Aber es wird sich lohnen.“ Aber wirbt man so um zukünftige Mitarbeiter?

Ja, sagt Stefan Leyrer: „Wir arbeiten an verschiedenen Achsen daran, unseren Status als attraktiver Arbeitgeber zu stärken. Wir haben auch eine neue Imagekampagne gestartet, die unsere Mitarbeiter in den Mittelpunkt stellt.“ In der Kampagne werden auch Unternehmenswerte wie Verlässlichkeit, Sicherheit, Handschlagqualität und Professionalität transportiert. Da wäre es falsch, so zu tun, als sei die Arbeit auf der Baustelle ein bequemer Wohlfühljob, so Leyrer.

Viel Farbe

Die ÖBB, mit 1.900 Lehrlingen einer der größten Ausbildner Österreichs, wirbt mit einer neuen, farbenfrohen Kampagne unter dem Motto #NASICHER um junge Menschen. Ziel ist es, eine eigene, moderne Corporate Identity für das Lehrlingsrecruiting zu schaffen.

Die Aktivitäten illustrieren die 180-Grad-Drehung am Arbeitsmarkt: Lehrlinge und Fachkräfte klopfen nicht mehr an die Tür, sie müssen umworben und abgeholt werden. „Unternehmen sind momentan sehr gefordert, sie müssen lernen, sich als attraktive Arbeitgeber zu positionieren“, weiß Manuela Lindlbauer, Gründerin und Eigentümerin von Lindlpower Personalmanagement. „Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben Rollen getauscht. Hatten wir bis vor einigen Jahren einen Arbeitgebermarkt, auf dem die Unternehmen unter den besten Bewerbern wählen konnten, haben wir jetzt einen Arbeitnehmermarkt, auf dem die Arbeitnehmer am Drücker sind: Sie sagen, was sie machen und was nicht.“

Das etwas sperrige Zauberwort dafür heißt Employer Branding. „Es geht darum, eine Arbeitgebermarke zu schaffen und damit bei potenziellen, aktuellen und ehemaligen Mitarbeitern ein fest verankertes, unverwechselbares Build zu hinterlassen“, erläutert Christian Reitterer, Geschäftsführender Gesellschafter des Beratungsunternehmens proM². Nachsatz:„Wem es nur um reine Imagepolitur geht, der geht das Thema falsch an. Man kann nur glaubhaft nach außen kommunizieren, was man im Inneren auch lebt.“

Mehr als 6.600 Lehrstelln sind in Österreich derzeit nicht besetzt, laut Wirtschaftskammer fehlen 160.000 Fachkräfte. Besonders heikle Auswirkungen hat das beim Zukunftsthema Digitalisierung. Dort verlieren vor allem Klein- und Mittelbetriebe den Anschluss. Einer der Gründe: „Die notwendigen IT-Fachkräfte sind Mangelware“, so Alfred Harl, Obmann des Fachverbandes Unternehmensberatung, Buchhaltung und IT (UBIT) der Wirtschaftskammer. Ein Masterplan „digiNation“ soll Abhilfe schaffen. Der sieht mehr Ausbildungsplätze und den Wegfall von Zugangsschranken für den Studiengang Informatik an Universitäten und Fachhochschulen vor sowie einmal die Woche Informatikunterricht schon ab der Volksschule.


„Wer bin ich als Arbeitgeber?
Was macht mich besonders?
Was kann ich versprechen und halten?
Das sind die entscheidenden Fragen.“

Christian Reitterer, Unternehmensberatung proM²


Mehr als Geld

Doch was müssen Unternehmen bieten, um für Bewerber interessant zu sein? Nur das Geld ist es jedenfalls nicht. „Unternehmen sind gefordert, erst zu definieren und dann zu kommunizieren, was sie ihren Mitarbeitern bieten können – und zwar nicht nur monetär“, weiß Expertin Lindlbauer, „ein ,guter Job‘ ist heutzutage selbstbestimmt und sinnstiftend, bietet flexible Arbeitszeiten und ein wertschätzendes Umfeld. Ein ,guter Arbeitgeber‘ nimmt Rücksicht auf die privaten Bedürfnisse und Belange seiner Mitarbeiter.“ Berater Reitterer ergänzt: „Mitarbeiter finden ihren Arbeitsplatz dann attraktiv, wenn sie den Menschen vertrauen, für die sie arbeiten, stolz sind auf das, was sie tun, und Freude an der Zusammenarbeit mit Kollegen haben.“

Viele Unternehmen haben das Thema Recruiting bereits zur Chefsache erklärt und schärfen ihre Arbeitgeber-Marke. Zehn Millionen Euro investiert die Energie Steiermark in einen neuen Aus- und Weiterbildungs-Campus in Graz. Siemens bietet seinen Auszubildenden kostenlose Englischkurse. Die ÖBB-Tochter Rail Cargo Group ermutigt Lehrlinge, unter dem Motto „Open Borders – Open Minds“ bis zu drei Monate in einer ausländischen Niederlassung zu lernen und zu leben.

Aber lohnt sich der ganze Aufwand? Absolut, ist Christian Reitterer überzeugt: „Employer Branding wirkt in verschiedenen Dimensionen: Mitarbeiterbindung, passende Mitarbeiterfindung, Unternehmenskultur, Performance Management und Unternehmensmarkenführung – und in allen Diesen Bereichen gibt es positive Auswirkungen.“


Was Employer Branding bringt

Performance Management

  • Qualität der Arbeitsergebnisse steigt
  • Motivation verbessert sich
  • Loyalität der Mitarbeiter erhöht sich
  • Eigenverantwortung wird gestärkt
  • Dadurch sinkt der Führungsaufwand

Mitarbeitergewinnung

  • Attraktivität als Arbeitgeber steigt
  • Bewerberpassung wird verbessert
  • Der Aufwand für Recruiting sinkt

Unternehmenskultur

  • Werte des Unternehmens werden erlebbar
  • Arbeitsklima verbessert sich
  • Krankenstände sinken
  • Zusammenarbeit wird gestärkt
  • Die interne Kommunikation wird effektiver

Unternehmensmarke

  • Image des Unternehmens wird gestärkt
  • Marketing-Synergien werden erschlossen
  • Der Unternehmenswert steigt

Mitarbeiterbindung

  • Zufriedenheit der Mitarbeiter verbessert sich
  • Identifikation mit dem Unternehmen wird gestärkt
  • Know-how wird gebunden
  • Return on Development wird erhöht
  • Niedrigere Kosten durch geringe Fluktuation

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