proM² in der Presse

CASH, 02/2012
Gastkommentar von Christian Reitterer

Die Legende vom scharfen Wettbewerb

Ich habe immer mit patriotischer Motivation im Ausland gegen das teils schlechte Image Österreichs angekämpft. Mit voller Überzeugung und teils wütend behauptend, dass wir keine Bananenrepublik sind, bestehend aus nicht sehr leistungsorientieren BürgerInnen, die den frischen Wind des Wettbewerbs stets als kalte Zugluft empfinden, die krank macht. Gemütlichkeit statt freiem Markt, "Werma scho Zamkuman"-Mentalität gepaart mit Korruption, Ideenlosigkeit und Mittelmaß. Nein, das sind wir nicht!

Wenn ich die Vergangenheit Revue passieren lasse (AKH, Androsch, Udo Proksch und seine Hawara,...) und die aktuellen Affären betrachte, kommen mir berechtigte Zweifel, ob ich Recht hatte. Ist das wirklich nur die Verfehlung einiger weniger - oder ist es doch die Spitze eines Eisberges?

Gehen wir einmal davon aus, dass wir Korruption, lächelnd daher kommende Erpressung und den Hang zu Preisabsprachen in unserer Genetik haben, dann werden nicht ausgerechnet Lebensmittelhandel und Industrie in Österreich von diesem "Defekt" nicht betroffen sein. Und tatsächlich tauchen immer wieder "informelle" Fragen über das richtige Verhalten auf, wenn der Angebotsleger mitbekommt, dass der Einkäufer ein "Nehmer" ist und man daher keine Chance hat, weil das bessere Angebot gleich im "Rundordner" verschwindet. Korruption hat vor dem Handel nicht halt gemacht, noch nie.

Und auch der "beinharte" Wettbewerb, dem der Handel angeblich ausgesetzt ist, ist mehr Schein als Wirklichkeit. Tatsächlich dominieren deckungsgleiche Verkaufspreise bei nahezu allen Markenprodukten. Die Industrie hat stets Angst Preiserhöhungen durchzusetzen, da diese der Handel ("im Sinne des Konsumenten") meist abschmettert - um dann nach langem hin und her zu akzeptieren und den Löwenanteil der daraus erzielten Marge einzustecken. Interessanterweise erhöhen sich die Preise bei den Produkten nahezu gleichzeitig, wobei abwechselnd einmal der Eine, einmal der Andere als erster die Preise erhöht. Das "Nachziehen" erfolgt dann ungefähr eine Woche später. Das Ergebnis: Die Preise in Österreich sind um einiges höher als in Deutschland, bei ähnlichen Kostenstrukturen.

Selbst bei den häufigen Aktionen gibt es in Wahrheit keine Konkurrenz. Aktionspreise- bzw. Varianten sind immer gleich. Und es gibt gewaltigen Ärger, wenn ein Produkt gleichzeitig bei "dem Einen" und "bei dem Anderen" in Aktion ist, im Extremfall mit unterschiedlichen Preisen. Dann muss der Lieferant antanzen und den "Schaden" begleichen!

Differenzierung gibt es zwischen den Handelshäusern kaum. Das Sortiment ist nahezu ident, die Eigenmarken sind es auch, heißen nur anders. Die Produktleistungen der Eigenmarken sind austauschbar und meistens Hofer-Plagiate. Ebenso ident sind die Aktionsthemen und Schwerpunkte. Die Rotkrautaktion zu Martini, die Sauce Hollandaise zum Spargel und den Spinat zum Gründonnerstag, der Krapfen zum Fasching usw.

Individuelle Profilierung? Fehlanzeige.

Auf die Zusammenarbeit der Industrie mit dem oftmaligen Themenführer und Ideenproduzenten Hofer wird mit regelrechten Racheaktionen reagiert, die im Resultat mit freiem Unternehmertum nichts gemein haben. Da gibt es plötzlich Forderungen nach "Spannenstützung" für Marken (Produkte), die bei Hofer in den Regalen auftauchen - sonst droht die Auslistung. Ganz so, als wäre die Industrie für Kostenstrukturunterschiede zwischen Diskont und zweistufigem Handel verantwortlich. Gibt es Probleme mit der Spanne bei den Eigenmarken, muss schnell ein "Eigenmarkenstützungsrabatt" her.

Über all das breiten wir gerne den Mantel des Branchen-Schweigens. Wer steht schon auf, wer klagt an? Wer kann es sich leisten bis zu 40 % seines Umsatzes zu verlieren? Und so bleibt alles, wie es ist. Alles bleibt gut, ganz im Sinne des Konsumenten.

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